Happy father’s day war zwar schon am 16. Juni auf St. Lucia, ich möchte euch aber trotz meinem Abstecher in die Schweiz, unsere Erlebnisse nicht vorenthalten.
Wir sind mittags um 2 p.m. von Vela und ihrem Mann Jeff eingeladen. Was sich hinter einer Father’s Day Einladung verbirgt ist uns nicht klar, würde sich jedoch im Laufe des Nachmittages sicherlich klären. Der am Morgen gefasste Plan war, um 1 Uhr vom Kitebeach loszufahren, Tobi am Hotel abzusetzen, duschen und losfahren. Die Wegstrecken sind irrelevant nahe, als wir jedoch erst um viertel vor zwei mit einem kleinen Cheesecake in der Hand zuhause ankommen, ist klar, dass der Plan nicht korrekt umgesetzt wurde. Tobi der schon 6 Jahre in Trinidad lebt, beruhigte uns «ihr müsst euch nicht schlecht fühlen, ihr werdet die ersten auf der Party sein».
Mit nassen Haaren aber hübsch rausgeputzt erscheinen wir um halb drei bei Familie Samuel. Jeff und 3 weitere Männer sitzen andächtig vor dem Grill, wünschen uns «Happy Father’s Day» und dirigieren uns in die Küche des Hauses, wo Vela, ihre Freundin Anne-Marie und Schwägerin Gynn mit dem Auftischen von Köstlichkeiten beschäftigt sind. Der grosse Esstisch ist voll mit Schalen, Pfannen und es wird noch immer Platz geschaffen für mehr. Mit einem Glas Weisswein in der Hand sitze ich an der Bar der Küche, beobachte das Treiben und beantworte artig die Fragen von Anne-Marie und Gynn. Langsam tröpfeln mehr und mehr Leute ein. Tobi hatte völlig recht mit seiner Vorhersage, wir waren Musterschüler in Sachen Pünktlichkeit.
Gegen halb vier, nachdem keiner der Aufforderung zum Essenfassen nachkam, wird es den älteren Frauen zu bunt. Sie stellen sich zu viert an den mit Speisen überfüllten Tisch, nehmen mich in ihren Kreis auf und sprechen das Tischgebet nicht ohne einen kleinen Spass einzubauen, so dass beim «Amen» alle am Kichern sind. Ich habe den Witz nicht verstanden musste aber mitkichern. Ich liess den Damen den Vortritt und reihte mich nach mehrmaligem Bitten ein. Als ich den halben Teller voll habe fragt mich Anne-Marie «Is this for your husband?» «no – why?» Und damit hatte ich ein Riesengelächter losgetreten: «I love that, I love that» gluckst Anne-Marie beim Luftholen… Verstohlen schau ich in die Runde, was war schiefgelaufen? Tatsächlich stehen nur Frauen um den Tisch. Und diese füllen Teller um Teller, verschwinden in die Garage zu den Männern und kommen gleich wieder zurück um den nächsten Teller zu füllen. Aha… die Männer kommen nicht runter und holen sich ihr Essen, sie werden von den Frauen bedient. Das ist Speziell, denn gerade hier auf St. Lucia habe ich überhaupt nicht das Gefühl, dass wir in einer Macho-Gesellschaft leben. Die Frauen hier sind extrem lebensfroh, aufgestellt, selbstsicher, körperbetont und eigenständig. Die Männer erlebe ich sehr zurückhaltend, höflich, charmant und hilfsbereit.
Natürlich bringe ich jetzt den gefüllten Teller zu Uwe nach oben und bereite den nächsten Teller für einen Bruder, Neffen oder Schwager von Jeff vor. Jeder sitzt irgendwo, meist alleine und geniesst die vielseitigen, tollen Speisen. Vieles kenne ich schon, aber die Zubereitung überrascht mich noch immer. Noch nie habe ich zuvor eine Gemüsesuppe mit Conch gegessen.
Auch zum Thema «Conch» habe ich eine kleine Anekdote beigesteuert, die Vela während des Suppe-essens zur Belustigung aller, die rundum stehen, erzählt und die geht so:
Um im Volleyball nicht den Anschluss zum Frauenturnen zu verlieren, kaufte ich in der 2. Woche auf St. Lucia einen Volleyball und eine Pumpe. Noch am selben Abend fuhren wir an den langen, weissen Vigie Beach, um uns ein paar Bälle zuzuspielen. Schon bei der 3. Ballabnahme rutschte ich mitten im weichen Sand auf etwas Hartem aus. Um mich nicht zu verletzten schaute ich nach, um was es sich bei dem «Harten» handelte. Nach 2 Handgriffen beförderte ich eine riesengrosse, 25 cm ∅ Conch [Fechtnerschnecke] zu Tage. Völlig aus dem Häuschen und mit grosser Angst, dass dieses Wunder der Natur an der Luft kaputt gehen könnte, rannte ich mit samt meinen Kleidern ins Wasser bis ich nicht mehr stehen konnte und warf die Muschel so weit wie mir möglich ins tiefe Meer, damit ja kein Mensch sie jemals wiedersieht.
Die Pointe dieser Geschichte ist, dass für die Einheimischen diese Muschel eine sehr teure und beliebte Delikatesse ist, die niemand zurück ins Meer bringen würde, sondern vielmehr auf den Grill oder in den Suppentopf verfrachten würde.
Gemeinsam mit Anne-Marie wasche ich ab und tratschen ein wenig. Obwohl Familie Samuel über 2 riesige, offene Wohnzimmer mit viel Platz zum Hinsitzen oder Abliegen verfügt, machen es sich inzwischen die anderen Frauen auf provisorisch zusammengestellten Stühlen, Hockern und kleinen Bänkchen im Flur bequem, wo am meisten Durchzug «Breeze» herrscht. 15 Frauen auf gefühlten 5 qm. Ein lustiges Geschnatter beginnt. Es wird über heilende Pflanzen und Früchte philosophiert und über die Männer gelacht, die es bei einer Erkältung immer besonders schwer haben. Das scheint weltweit immer der gleiche Grund zur Belustigung zu sein.
Auch die Männer haben sich zusammengefunden und stehen rund um einen Dominotisch, an dem 4 Herren das Lieblingsspiel der Stlucians [Sänluschiäns] spielen. Wer verliert gibt seinen Stuhl an den nächsten Spielbesessenen ab. Auch Anne-Marie reiht sich in die Schlange der Wartenden ein. Einige Runden kann sie sich im Mittelfeld halten und erst als es dunkel geworden ist, muss auch sie mal ihren Stuhl freimachen. Domino ist ein lautes Spiel. Die Steine werden mit möglichst aufsehenerregendem Knall auf dem Tisch platziert. Dabei versuchen immer 2 Zusammenzuspannen und die anderen Beiden, vor allem denjenigen, der noch am wenigsten Punkte hat, auszuspielen.
Gegen 8 p.m. erzählt eine 70-jährige Schwägerin, die nicht älter wie 50 aussieht, dass sie ihr ganzes Leben immer um 6:30 p.m. ins Bett geht und nur an besonderen Tagen eine Ausnahme macht. Ich bin versucht eine neue Lebensregel für mich einzuführen und nehme den Wink gerne auf, um mit Uwe gemeinsam den Heimweg anzutreten.
Was für ein schöner Tag inmitten einer tollen Familie. Wir haben einige von Jeff’s und Vela’s Geschwister kennengelernt, deren Partner und Kinder und Vela’s Freundin Anne-Marie: witzig, aufgeschlossen, stolz und schön. Mit vielen Eindrücken fallen wir ins Bett. Aber als am nächsten Morgen Vela zur Arbeit kommt, und uns von einem Gespräch mit Jeff und Anne-Marie erzählt, indem sie sich einig waren, dass es kaum zu glauben sein, dass wir «Fremde» sich für sie wie «Freunde», die schon immer auf der Insel leben würden angefühlt hätten, bin ich schon sehr gerührt und bin wieder einmal darin bestärkt, dass es nicht auf deine Nationalität ankommt, sondern auf die Bereitschaft, sich zu integrieren. Vielen Dank Familie Samuel.
Schöne Einblicke in für uns eher unbekannte Traditionen! Allerdings bei der Essens Erteilung könnte man sagen: hier herrscht eher das Matriarchat vor! Die Frauen bestimmen, was die Männer essen!🤪it’s all a matter of perspective. Liebe Grüsse aus der sonnig sommerlichen Schweiz. Nadya
oh ja, das würde den generellen Eindruck bestätigen. Schlussendlich geht es ja nicht um Dominanz sondern um Wege für ein friedvolles Miteinander.